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Gestern ist es also passiert: Selbstmitleid hat mich nicht nur gefangen, sondern auch einmal überrollt. Wie ein LKW, der über einen Spielzeugtraktor fährt. Alle Aufträge aus dem März, April und Mai weggebrochen oder verschoben. Das E-Mail Postfach leer wie nie (Werbung für reduzierte Fotohintergründe, rabattierte Fotobücher und Osterpreisnachlass bei Westwing mal ausgenommen). Neue Aufträge nicht in Sicht. Bisher war ich positiv, denn was würde schlechte Laune auch schon an der aktuellen Situation ändern. Das restliche Jahr und alles, was noch kommen könnte, habe ich erstmal ausgeblendet. Als würde dieses so verrückte Jahr nur bis zum 31. Mai gehen. Und danach? Danach aber schon so langsam wieder normal, oder? Oder? Das ist natürlich naiver Idealismus gepaart mit einer außergewöhnlich guten Fähigkeit, die Dinge (Realität und Zahlen im Speziellen) auszublenden. Zum einen liegt das natürlich am eigenen Ego, dass sich schützen möchte. Ein ganzes Geschäftsjahr, das womöglicherweise fast gänzlich wegbrechen wird – diesen Gedanken nimmt man nicht als ganzen Happen, sondern kaut ihn Stück für Stück herunter. Aber nicht nur das eigene Schicksal gehört zu diesen Überlegungen: Auch die Wirtschaft des Landes, die der gesamten Welt – so viele Betriebe, Selbstständige, Mitarbeiter, Freunde und die eigene Familie – fast jeder hat jetzt schon eine Geschichte und ein Schicksal, das mit Covid -19 zusammenhängt.

All das hat mich gestern Abend wie eine große Welle über mich hinweggespült: Meine Eltern, die ich seit Februar nicht gesehen habe. Meine Brüder, verstreut in verschiedenen Städten und über die Landesgrenzen hinweg. Meine deutsche Oma, ganz allein in Quarantäne. Und meine tschechischen Großeltern, die ich nicht mehr sehen kann. Aktuell voraussichtlich bis mindestens September. Es bedarf meist nur ganz wenig, um ein Fass zum Überlaufen zu bringen. Der berühmte letzte Tropfen war bei mir ein sehr gutes Video. Gut, im Sinne von informativ und ehrlich. Schlecht im Sinne von ernüchternd. Und dann kam sie, die Niedergeschlagenheit, das Selbstmitleid und die Hoffnungslosigkeit. Aber das ist in Ordnung. Es ist in Ordnung, traurig zu sein und sich eine zeitlang unter der Bettdecke zu verstecken (und ja, das habe ich getan). Wie auch sonst, sollte man sonst auch das Gefühl von Freude kennen – unbändiger Freude – oder dem unglaublich schönem Gefühl von sich ausbreitender Hoffnung.

Heute Morgen wachte ich nach einer schlimmen Nacht und vielen Albträumen auf und sah die Sonnenstrahlen, die durch die engen Schlitze der Rollläden ihr Muster an die Wand zaubern. Schon einmal habe ich diese Lichtspiele für Selbstportraits genutzt. Auch, wenn damals aus einer anderen Stimmung heraus. Eine andere Carolina. Als ich die Linien auf der Wand ansah, erinnerten sie mich ein klein wenig an unsere aktuelle Quarantänesituation: Wir, gefangen in unserem luxuriösen Gefängnis. Die einen wütend, über die Einschränkungen, andere demütig, weil wir plötzlich direkt spüren, wie abhängig wir sind. Viele wieder kreativ, weil sie Zeit haben. Und die Natur, die an so vielen Orten in der Welt erleichtert aufatmet. Nichts ist nur schlecht, nichts nur gut.

Genau diese Sonnenstrahlen sind es, die mich daran erinnern, dass selbst in dunklen Zeiten noch so viel Licht ist. Sonne. Und natürlich auch Hoffnung. Alles, was man dafür tun muss, ist, sein Gesicht und seine Gedanken der Hoffnung zuzuwenden. Wir geben nicht auf. Wir erfinden uns neu, denn das ist es, was wir seit vielen Millionenjahren machen. Und eigentlich, wurde sehr vielen von uns das Wertvollste überhaupt geschenkt: Zeit.
Lasst sie uns weise nutzen.

Wie geht es euch in der aktuellen Lage. Seid ihr direkt von Covid-19 betroffen? Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn das hier ein Ort zum Austauschen sein kann. ♥

Wer sich noch das Video ansehen möchte, von dem ich zu Beginn geschrieben habe, kann hier klicken.

Habt einen schönen Sonntag.

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