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Stück für Stück, so scheint es, kehren wir zur Normalität zurück. Immer mehr Geschäfte dürfen wieder öffnen, Museen, Zoos und Schulen folgen. Die Ausgangsbeschränkung wird zur Kontaktbeschränkung. Maskenpflicht bleibt – zumindest in bestimmten Bereichen. Und auch das Virus bleibt. Vorerst. Und so komme ich nicht umhin mich zu fragen, wie diese neue Normalität wohl aussehen mag. Die Optimisten posten auf Facebook Italiens Delfine, wie sie munter vor der Küste herumplantschen. In Nordindien freut man sich darüber, mal wieder die Spitzen des Himalayas auch aus einer Distanz von 150 Kilometer bestaunen zu können und in China sieht man plötzlich wieder den Himmel. Nachrichten, die zeigen, dass die Natur keine Sekunde damit verschwendet, menschliche Zivilisation zu vermissen, sondern sofort den Schadensbegrenzungsmodus einleitet. “Vielleicht führt das ja endlich mal zu einem Umdenken..”, hört man dann immer öfter. Und kurze Zeit danach “Ich habe ja soooo Fernweh – kann es kaum abwarten, wieder zu verreisen!” Ach so. Dann Tschüß, Delfine.

Der Idealist in mir hofft natürlich von ganzem Herzen, dass diese Verbesserungen nicht nur ein kurzes Aufatmen sein werden, der Pessimist in mir lacht sich jedoch tot. Ein Umdenken also. Auch auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen, aber die Vorstellung, dass nach der Krise plötzlich der Großteil aller Menschen mit dem Wohnmobil in den Harz fährt (statt Karibikkreuzfahrt), nur noch einmal die Woche Fleisch isst (natürlich vom Weiderind) und nur noch mit dem Jutebeutel zum verpackungsfreien Supermarkt ums Eck läuft, scheint mir doch eher unrealistisch. Optimistisch ausgedrückt. Natürlich ist auch das wieder überspitzt dargestellt, es gibt ein Grau zwischen all dem Schwarz und Weiß. Aber ist es nicht auch ein klein wenig so, dass wir unseren Hintern erst hochbekommen, wenn dieser direkt und unmittelbar bedroht erscheint? Und kann es nicht auch sein, dass wir immer gerne von “all den Idioten da draußen reden“, die alles falsch machen und niemals auf die Idee kommen, dass wir ein Teil davon sind. Und vielleicht, ganz vielleicht, hoffen wir auch einfach, dass jemand anders dann mal anfängt, mit der Rettung der Welt. Man selbst folgt dann schon. Ganz sicher. Doch warten, wünschen und hoffen hat noch niemals zu einer Veränderung geführt. Nicht mehr bei Amazon zu bestellen. DAS wäre mal ein Umdenken. Statt zu hoffen, dass sich die kleinen Läden irgendwie halten werden. Weniger zu konsumieren. Seltener fliegen. Verzicht. Das sind halt aber alles Dinge, die sehr unbequem sind (und da nehme ich mich selbst nicht aus). Da ist so ein geteilter Beitrag auf Facebook schon deutlich alltagsfreundlicher. Versteht mich nicht falsch – sicherlich mache ich bei Weitem selber nicht alles richtig. Was ich nur unglaublich anstrengend finde, ist Scheinheiligkeit. Auch, wenn sich nicht mal böse gemeint ist. Grün zu wählen, heißt noch lange nicht, grün zu sein. Grün leben. Das ist ein Umdenken. Und nein, es muss nicht perfekt sein. Es muss auch nicht in allen Lebensbereichen sein. Aber wenn wir aus Corona wirklich etwas mitnehmen möchten und unserem Planeten tatsächlich etwas mehr Luft zum Atmen gewähren wollen, dann muss es etwas mehr sein als sich über klares Wasser in Venedig zu freuen und dann zu hoffen, dass sich ab jetzt alles ändern wird.
Veränderung ist nicht. Wir sind Veränderung.

Selbstportrait | Mai 2020
© Foxografie

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