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Im Reitsport ist es so, dass man das Pferd mittels einer Kombination aus Gewichtsverlagerung, Schenkeldruck und Zügelhilfe lenkt. Es ist also mitnichten so, dass – wie es in Filmen oft gezeigt wird – der linke Zügel nach links gerissen wird, um das Tier zum Linksabbiegen zu bewegen. Zumindest sollte es so niemals sein. Je besser der Reiter und je tiefer das gegenseitige Vertrauen, desto weniger wird er die Zügel überhaupt verwenden. Bei einem sehr guten Reiter wird man den Eindruck haben, er sitze einfach nur auf dem Rücken ohne überhaupt etwas zu tun. Er verwendet in kleinsten Nuancen Gewichts- und Schenkeldruckhilfen, kaum sichtbar für den Betrachter. Drückt der rechte Schenkel sacht an den Pferdebauch, so wird es sich vom Schenkel wegbewegen und umgekehrt. Es weicht dem Druck aus.

“Druck erzeugt Gegendruck”. Diesen Satz kennt man. Ich denke aber, das stimmt nur in seltenen Fällen. Viel mehr habe ich die Erfahrung gemacht, dass Druck ein Ausweichen verursacht. Druck erzeugt Rückzug. Druck erzeugt Flucht. Wieso diese Story vom Pferd, fragt ihr euch an dieser Stelle vielleicht. Nun, ich denke, ihr ahnt es bereits, falls ihr den Titel dieses Beitrages noch im Kopf habt: Kreativität braucht Platz. Genau wie das Pferd reagiert Kreativität sensibel auf Druck. Zu viel Druck belastet Kreativität. Sie flüchtet, lässt uns allein. Im schlimmsten Fall macht dauerhafter Druck uns krank. Sicherlich kann man ihm immer eine Weile standhalten und je nach den eigenen Kraftressourcen kann man ihm länger standhalten. Doch das Ziel sollte nicht aushalten sein. Nicht “alles ertragen müssen” und auf keinen Fall heißt Druck, immer über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Auch wenn das ein gern gesagter Spruch ist.

In unserer Gesellschaft wird oft das Ertragen und Aushalten als Stärke angesehen – obwohl uns das gerade oft nicht gut tut. Wir verlernen dabei zu fühlen, wann uns etwas schadet und genau wie die Kreativität, verlieren wir auch das Gefühl unserer eigenen Grenzen. Druck erzeugt Flucht. Ich erzähle all dies, weil ich diese Woche an genau das erinnert wurde: Wie wundervoll es ist, frei von Druck zu sein. Als mich Nadine für ein paar Tage besuchte, waren wir jeden Tag mit der Kamera draußen. Ohne Auftrag, ohne den Anspruch, etwas abliefern zu müssen. Und das ist so wichtig. Je mehr Aufträge ich habe, desto mehr fehlt mir die Zeit für das reine “fotografieren um des fotografierens willens”. Ein Teufelskreis. Das ist ungefähr das gleiche, was auch in sehr stressigen Zeiten mit dem Sport passiert.

“Ich habe so viel zu tun, ich komme gerade einfach nicht zum Sport.”
“Dann brauchst du es jetzt umso mehr”.

Paradoxität par excellence. Umso höher der Druck, je gestresster wir werden, desto weniger tun wir Dinge, die uns gut tun, die uns vom Druck entlasten. Dabei sind es genau die Momente deines Lebens, in denen du noch mehr als sonst davon brauchst.

Druck erzeugt Gegendruck. Druck erzeugt Flucht. Wie auch immer. Ich wünsche mir für dich (und mich) sich öfter in genau diesen Situationen daran zu erinnern, wo die eigenen Grenzen liegen, um innezuhalten und dann genau diejenigen Dinge zu tun, auf die man Lust hat, von denen man aber denkt, dass man gerade keine Zeit für sie hat. Denn genau die brauchst du jetzt.

März 2022
© Foxografie

Wertvolle Zeit mit meiner Fotografenfreundin Nadine von Herzflimmern
Danke dafür.

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