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Noch ehe mein linker Zeigefinger auf den kleinen schwarzen Auslöseknopf tippen konnte, dreht sie sich in einer leichten Drehung von mir weg. Durch den Sucher sehe ich sie – genauer gesagt ihren Rücken – zwischen den rosagefärbten Blüten stehen, den Blick von mir abgewandt – und während ich nur eine Zehntelsekunde später das so vertraute Auslösegeräusch vernehme, muss ich gleichzeitig lächeln.

Ich muss lächeln, denn ich erkenne mich selbst in Amilas automatischen Bewegungen wieder. Lieber nicht direkt in die Kamera schauen. Es fühlt sich an, als wäre man irgendwie nackt – nackt mit Klamotten. Lieber den Körper schützend abwenden. Man könnte verwundet werden – verwundet ohne Waffen.

Mit der Zeit habe ich eines gelernt: Wir Menschen sind verdammt unsicher. Das Zweifeln gehört zu uns wie eine zweite Haut, die sich mehr oder weniger sanft um uns legt. Und ich denke Zweifel sind gut. Sie sorgen dafür, dass wir weitermachen. Wollen. Uns neu erfinden, keinen Stillstand suchen, sondern immer weiterlaufen. Stolpern, hinfallen und beim Aufstehen wieder ein klein wenig größer sind als zuvor.

Das Problem ist nur manchmal: Sie wächst nicht immer so schnell mit, unsere zweite Haut. Und dann wird es verdammt eng. Schnürt ein und die Schritte werden kleiner und kleiner. Der Grad zwischen Zweifeln, die uns vorantreiben und denen, die uns zurückdrängen, ist wie so oft nur einige Millimeter dünn und es ist so leicht, mal danebenzutreten.

Und die Sache ist diese: Wir sind zu streng mit uns.

Ich habe es mir immer übel genommen, dass ich vor der Kamera Hemmungen verspürt habe. Gerade du solltest es doch besser machen. Sonst bist du doch auch nicht so schüchtern. Und auch, was das Äußere angeht, ist niemand strenger zu uns, als wir selbst. Wut, wenn etwas danebengeht. Ärgern, weil irgendwas nicht so aussieht, wie wir es gerne hätten. Eine permanente Schlacht – gegen sich selbst. Und während ich also Amila beobachte, denke ich mir scheiß drauf. Scheiß drauf, ob wir dreiviertel aller Bilder von hinten haben. Scheiß drauf, dass ich mir selber so schwer damit tue. Frieden schließen.

Wer schüchtern ist, der ist es eben. Wem es schwer fällt, auf Kommando zu lachen, der sollte das auch nicht tun. Es ist gar nicht so sehr die Unsicherheit, die uns nach unten zieht, sondern die Tatsache, dass wir sie uns so übel nehmen. Nicht die dicken Oberschenkel, die große Nase, die dünnen Haare sind das Problem – sondern das man sich darüber ärgert. Und genau deswegen lasse ich Amila ihren ganz eigenen Rythmus finden beim Shooting. Ich sage nicht, sie soll sich jetzt herumdrehen und mich ansehen – denn ich spüre, sie ist noch nicht soweit. Stattdessen passe ich mich an. Fotografiert zu werden ist ähnlich als würde man eine Zwiebel schälen und Schicht um Schicht Unsicherheit und Komplexe entfernen, bis man dann plötzlich nackt ist. Nackt mit Klamotten. Unverwundet natürlich.

Ängste ablegen tut nicht weh. Im Gegenteil.

Und die Sache ist diese: Unsere zweite Haut wächst vielleicht manchmal langsamer. Aber sie wächst.
Frieden schließen. Das ist es.

Portraitshooting || April 2017 || © Foxografie

P. S. Entschuldigung für die vielen scheiß draufs – es musste diesmal sein.

Kommentare

Gerade solche Fotos finde ich haben auch etwas. Finde ich richtig, dass du das respektiert hast, jeder hat seinen eigenen Rhythmus. Nicht jeder möchte direkt das Gesicht in die Kamera halten, aber genau das ist das Spannende bei der Fotografie. Sich auf die verschiedenen Menschen einstellen und dann daraus das beste holen. Du hast es geschafft <3

Oh wie lieb, dankeschön.
Und ein Gruß von Caro zu Caro!

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